20.11.2020

Der Fingerabdruck auf dem Chip: Bevölkerung unter Generalverdacht

Biometrische Daten müssen besonders geschützt werden. Fingerabdrücke im Personalausweis speichern zu lassen, sollte deshalb – wie bisher –  freiwillig bleiben. Doch wer einen neuen Personalausweis braucht, muss ab August 2021 verpflichtend seine Fingerabdrücke abgeben. Damit setzt die Bundesrepublik europäisches Recht um: Mit der „EU-Verordnung über die Sicherheit von Personalausweisen“ hatten sich 2019 die „Hardliner“ in puncto Sicherheitspolitik durchgesetzt. Die Fingerabdrücke des rechten und des linken Zeigefingers aller Bundesbürger*innen sollen nun auch in Deutschland auf dem Personalausweis gespeichert werden.

Der Grund: Jeder und jede könnte gegen das Gesetz verstoßen und Ausweisedokumente fälschen. Verbrechen vorzubeugen ist ein rechtsstaatlicher Auftrag, das Grundrecht auf Datenschutz allerdings auch. Zumal Straftaten, die jemand mit falscher Identität begeht, laut Kriminalitätsstatistik der EU-Grenzagentur Frontex (1) in den letzten Jahren abnehmen. Doch die neuen präventiven Maßnahmen sehen in allen potenzielle Verbrecher. Die sensiblen Daten bleiben zudem nicht nur auf dem Chip, sondern werden möglicherweise für die Datenbanken der Polizeien oder Geheimdienste zugänglich gemacht.

Eine Totalerfassung und Überwachung aller Bürger*innen ist unvereinbar mit dem Anspruch eines Rechtsstaats, der sich den Schutz der Persönlichkeitsrechte auf die Fahnen geschrieben hat. Es stellt sich die Frage, wieviel Freiheit für die Sicherheit geopfert werden darf. Gerade in Zeiten einer Pandemie erleben wir, dass diese Abwägung immer wieder neu getroffen werden muss. Aber: Eine Wahlfreiheit, ob meine Fingerabdrücke gespeichert werden sollen oder nicht, ist eine Freiheit, die nicht das Leben und die Gesundheit anderer gefährdet! Worauf die Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen pochen, ist faktisch keine Freiheit, sondern Egoismus und Anarchie.

Es geht darum, die Wahl zu haben, was ich von mir preisgeben möchte. Es ist richtig, dass wir auch sonst unsere persönlichen Daten weitergeben: an Facebook und WhatsApp, an Google, Apple und Amazon, teilweise sogar mit Fingerabdrucksensor und Gesichtserkennung. Der entscheidende Unterschied ist aber: Wir tun dies freiwillig. Beim Personalausweis haben wir diese Entscheidungsfreiheit bald nicht mehr.

Claudia Schwarz

 

(1) https://frontex.europa.eu/assets/Publications/Risk_Analysis/Risk_Analys…