21.07.2022

Eine sozialverträgliche Abfederung der steigenden Gaspreise muss umgehend auf den Weg gebracht werden

Am heutigen 21. Juli 2022 wurden die jährlich anstehenden Arbeiten an der Gaspipeline Nord Stream 1 abgeschlossen, welche den Gasfluss nach Deutschland in dieser Zeit zum Stillstand brachten. Die Bevölkerung schaut zum Ende der Arbeiten verheißungsvoll auf die Entscheidung Russlands und nimmt erleichtert wahr, dass wieder Gas fließt - ein Ausgang, der von vielen Experten in den letzten Tagen als eher unwahrscheinlich abgetan wurde. Doch selbst bei Beibehaltung der gleichen Gasmenge der Zeit vor der temporären Abschaltung, ist von enormen Einschränkungen bei der nationalen Gasversorgung im Winter auszugehen. Die 60-prozentige Kürzung der Liefermenge von Mitte Juni lässt mit Sorge auf die kommenden Monate blicken. (1)

Dass ein Mangel an Gas enorme Auswirkungen auf Industrie und Wirtschaft hätte, steht außer Frage. In der Diskussion steht, inwieweit im Krisenfall die kritische Infrastruktur bevorzugt beliefert werden könne - und wer denn überhaupt zur kritischen Infrastruktur zähle. Nebst Wirtschaft und kritischer Infrastruktur stehen die Privatverbraucher, die um die Heizung der Wohnung in der kalten Jahreszeit bangen müssen. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, prognostiziert, dass bis ins Jahr 2023 eine Verdreifachung der Gaspreise durchaus denkbar wäre - selbst Erhöhungen darüber hinaus seien nicht ausgeschlossen. (2)

Während diese Prognose für bestimmte Bevölkerungsgruppen mit nur geringen oder gar keinen Einschränkungen verbunden ist, setzen solche Aussagen Geringverdiener jetzt bereits enorm unter Druck. Eine Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Diakonie Deutschland hat ermittelt, dass gerade ärmere Haushalte überproportional mit Einschränkungen in ihrem Alltag zu rechnen haben. Während das einkommensschwächste Fünftel der Bevölkerung ca. 62 Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes für Wohnen, Nahrung und Haushaltsenergie ausgibt, ist das beim einkommensstärksten Fünftel nur ca. 44 Prozent. Die Sorgen sind also berechtigt. (3)

Knapp fünf Prozent der Deutschen sind Grundsicherungsempfänger, die am Ende des Monats bereits jetzt jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Hinzu kommt, dass ein weit größerer Anteil von ca. einem Drittel keine nennenswerten Ersparnisse in der Hinterhand hat, um solche Preisschwankungen abzufedern. (4)

Die soziale Verantwortung der Politik verlangt es, hier schnellstmöglich zu reagieren. Die Sicherstellung einer grundlegenden Versorgung ist neben der technischen Realisierung auch auf der sozialen Ebene notwendig und an der Zeit. Eine soziale Abfederung der zu erwartenden Preiserhöhungen kann nur durch politische Entscheidungen gelingen - und diese brauchen wir nicht erst im Herbst.

Julian Beck

 

(1) Tagesschau.de, So viel Gas wie vor der Wartung, 21.07.2022, Abruf am 21.07.2022,
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/nord-stream-1-gasliefe…

(2) Tagesschau.de, "Verdreifachung der Abschläge möglich", 14.07.2022, Abruf am 20.07.2022,
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/netzagentur-gaspreise-…

(3) Zeit Online, Ärmere Haushalte leiden laut Studie überproportional unter Teuerung, 13.07.2022, Abruf am 20.07.2022,
https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-07/inflation-armut-energie-lebensmi…

(4) Bundeszentrale für politische Bildung, Vermögen nach Einkommensverteilung, 14.10.2020, Abruf am 20.07.2022,
https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-de…