22.01.2024

Demokratisches Engagement für Fortgeschrittene

Hunderttausende Menschen gingen in den vergangenen Tagen auf die Straßen, um für eine weltoffene und wehrhafte Demokratie in Deutschland zu demonstrieren. Gewerkschaftsfunktionär:innen, Sportler:innen, Kirchenvertreter:innen aber auch zahlreiche Menschen ohne organisatorische Gebundenheit waren überall in Deutschland dabei. Kein zentraler Protest in Berlin, sondern viele lokale Initiativen und Bündnisse, die sich klar gegen rechte Fantasien von „Remigration“ und ihre gesellschaftliche Normalisierung positionieren. 

Soweit, so gut und so wichtig! Danke für dieses wichtige Zeichen für eine wertegestützte Demokratie in der Bundesrepublik in klarer Solidarität mit Menschen mit Migrationsbiografie!

Aber was sind nächste Schritte? Die Wahlprognosen für die AfD und ihrer Geschwisterparteien in den europäischen Nachbarländern werden sich nur aufgrund von Protesten, auch von breiten Bevölkerungsschichten getragen, kaum merklich verändern. Im Gegenteil: Bei den Europa- und Kommunalwahlen im Juni und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die im September anstehen, geht es um die konkrete Gefahr demokratiefeindlicher Mehrheiten. Strukturell braucht es Investitionen in politische Bildung und eine veränderte Debattenkultur, aber auch individuell sind Beiträge für eine wehrhafte Demokratie möglich.

Erster Tipp für Fortgeschrittene: Wahlrecht ohne Ausreden wahrnehmen. Selbst bei kurzfristiger Erkrankung kann noch am Wahltag Briefwahl beantragt werden! Außerdem ist es unbedingt zu empfehlen, jeweils noch zwei bisherige Nichtwähler:innen zur Wahl mitzubringen. Solche haben alle in ihrem Umfeld und ihre Stimmen können einen Unterschied machen.

Zweiter Tipp: In Diskussionen gegen rechte Normalisierung eintreten. Narrative, die verschiedene Gruppen gegeneinander ausspielen oder pauschal abwerten, finden sich nicht nur im unmittelbaren Umfeld der politischen Rechten. Vom sprichwörtlichen Stammtisch über den Sportverein, den Betrieb oder die Kirchengemeinde werden sie vielerorts vertreten. Auch wenn es nicht bei jeder problematischen Aussage leichtfällt, sich zu positionieren, ist es wichtig, ausgrenzende Haltungen nicht unwidersprochen zu lassen.

Dritter Tipp: Demokratisches Engagement nachhaltig leben. Wer sich in Verein, Gemeinde, Verband oder Partei organisiert und engagiert, trägt meist bereits unbewusst zu einer lebendigen und demokratiefördernden Zivilgesellschaft bei. Auch andere, informelle oder kurzfristige Formen des Engagements leisten ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nutzen wir die Potenziale dieser Strukturen zur Stärkung demokratischer Kultur! Sie können wertvolle Chancen für zwischenmenschliche Auseinandersetzungen jenseits von Filterblasen und Komfortzonen sein und damit einen nachhaltigen Beitrag leisten.

Proteste für die weltoffene Demokratie sind ein wichtiges Zeichen gegen ihre Feind:innen – eine herzliche Einladung aber auch zu demokratischem Engagement für Fortgeschrittene. Jetzt ist die Zeit dafür.