Lobbyismus in der Schule - Tim Engartner kritisiert Einfluss der Wirtschaft auf das Schulsystem

Beim Querdenkerabend vom 17. Mai 2018 stellte Tim Engartner den schulbezogenen Lobbyismus von Wirtschaft und Bundeswehr auf den Prüfstand. Mit deutlichen und klaren Worten kritisierte der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler nicht nur die Einflussnahme von bundesdeutschen Unternehmen auf Schule und Unterricht als solche, sondern auch das Ausmaß. Nach seinen Worten bieten mittlerweile 16 der 20 umsatzstärksten Unternehmen kostenlose Unterrichtsmaterialien an. Dass immer mehr Lehrer auf solche Unterlagen und Angebote aus der Wirtschaft zurückgreifen, ist nach Engartners Worten im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen seien die finanziellen Spielräume von Schulen oft sehr eng, so dass sie auf die kostenfreie Alternativen gern zurückgreifen. Der Wissenschaftler erinnerte daran, dass Deutschland bei einem Vergleich der Quote für Bildungsausgaben mit anderen OECD-Staaten weit hinten liege. Zum anderen seien in Fächern wie Sozialwissenschaften oder Politik- und Gesellschaftslehre Lehrer in weiten Teilen fachfremd eingesetzt, die Quoten schwanken je nach Bundesland, erreichen aber durchaus Werte bis zu 58 Prozent. Gerade diese Klientel an Pädagogen haben großes Interesse an vorgefertigten Materialien, die ihnen die Planung und Umsetzung von Unterricht deutlich erleichtern.

Im Gespräch mit Kommende-Dozent Richard Geisen ging Engartner in einem weiteren Schritt auf die Gründe ein, weshalb Broschüren, Hefte oder auch digitale Angebote von Firmen und Konzernen aus seiner Sicht so bedenklich seien. Unternehmen hätten auf diese Weise Einfallstore, um sehr gezielt unter Kindern und Jugendlichen für ihre Produkte oder Dienstleistungen zu werben, mit denen sie an ganz entscheidenden Stellen das Denken der jungen Menschen beeinflussen oder prägen können. Darüber hinaus seien die Materialien, so Engartner, kaum dazu angelegt, die Schüler zu einem kritisch-reflektierten Umgang mit den Themen anzuleiten, die in Fächern wie Sozialwissenschaften oder Politik angesprochen werden. Und schon gar nicht würden die Angebote dem Beutelsbacher Konsenses aus dem Jahr 1976 gerecht. Danach sollte zu den Grundsätzen der politischen Bildung gehören, dass Lehrende Themen möglichst kontrovers und aus verschiedenen Perspektiven darstellen, um auch Diskussionsprozesse in Gang zu setzen. Ferner ist es für Engartner auch fraglich, inwieweit Unternehmen ein wirkliches Interesse an der Persönlichkeitsbildung von jungen Menschen haben, was wiederum aber doch der eigentliche Auftrag von Schule sei.

Aus besagten Grund steht er auch den Berufs- und Orientierungstagen äußerst skeptisch gegenüber, die Firmen entweder von sich aus anbieten oder in die sie durch Aktionen und Programme eingebunden werden. In Theorie und Praxis vermitteln Unternehmen, wie der Wissenschaftler ausführte, den jungen Menschen, dass es zu den wichtigsten Zielen im Beruf gehöre, sich durchzusetzen.

Nachvollziehen könne er überhaupt nicht, dass der Chef des Philologenverbandes inzwischen dafür plädiere, angesichts von Lehrerknappheit, Vertreter der Wirtschaft in die Schulen zu schicken, damit sie dort Unterricht anbieten. Eine solche Präsenz widerspreche nicht nur pädagogischen Prinzipien, sondern müsse doch auch Eltern und weitere Beteiligte auf den Plan rufen. Sie können es doch nicht zulassen, so Engartner, dass ungeschulte Kräfte in einem so wichtigen und zugleich auch sensiblen Bereich wie Schulbildung agieren dürfen.

Im Übrigen wies der Referent darauf hin, dass er nach wie vor Eltern suche die bereit wären, gegen die Einflussnahme von Unternehmen auf Schulen zu klagen. Rechtliche Voraussetzungen sieht er gegeben und einen profilierten Anwalt habe er auch an der Hand.

Theo Körner, Dortmund