Afrika-Experte: Kontinent könnte sich selbst helfen

Für eine Neuorientierung in den Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Afrika hat sich Dr. Boniface Mabanza im Sozialinstitut Kommende ausgesprochen. Der Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg verdeutlichte, dass die Rahmenbedingungen den meisten afrikanischen Staaten schaden würden. Statt die regionalen Märkte zu stärken, laufe man Gefahr, sie zu schwächen. Das wiederum sei vollkommen konträr zu dem Ziel, Flucht und Migration zu verringern.

In der Reihe „Querdenker im Interview“ stellte der Literaturwissenschaftler und Theologe die brisante Bedeutung der Freihandelsverträge heraus. Durch die so genannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) sollen, wie Mabanza erläuterte, die Zölle von EU-Exporten nach und nach deutlich gesenkt werden. Das werde aber, wie schon jetzt absehbar, Handel, Landwirtschaft und Industrie vor Ort in Afrika noch mehr schädigen. Schon jetzt seien in einigen Regionen durch Importe aus der EU Märkte enorm unter Druck geraten, die Lage werde sich noch weiter verschärfen. Die Europäische Union übe sehr starken Druck auf die Staaten aus, meinte Mabanza, damit sie die Verträge unterzeichnen. Die einzelnen Regierungen würden unterschiedlich reagieren, ein geschlossenes Auftreten sei allerdings auch nicht erkennbar. Daher gebe es momentan auch kein einheitliches Bild zum Stand der EPA-Verhandlungen. So haben beispielsweise Ghana, die Elfenbeinküste und Kamerun bereits erste Abkommen mit der EU geschlossen, erklärte der Referent, doch das widerspreche dem eigentlichen Bemühen, alle Regionen gemeinsam zu erfassen.

Dabei hätte der Kontinent eigentlich angesichts seines Rohstoffreichtums beste Chancen, aus eigener Kraft wirtschaftlich erfolgreich zu sein und die Bevölkerung daran teilhaben zu lassen. Doch die autokratischen Regime zahlreicher Staaten und mit ihnen die Eliten des Landes setzen nach Mabanzas Worten alles daran, dass sie allein von den Gewinnen profitieren statt das Geld in Bildung, Gesundheit und soziale Fürsorge zu investieren. Die Konzerne und Unternehmen, die sich in Afrika engagieren, haben indes wenig Interesse daran, wohin Gelder fließen. Ihre Koalitionen mit der jeweiligen Regierung dienten vornehmlich dem Ziel, möglichst günstig an Rohstoffe und Bodenschätze zu kommen. Die derzeitigen Systeme führen dazu, so der Referent, dass der Kontinent Jahr für Jahr einen Kapitalabfluss von 40 Milliarden Dollar zu verkraften habe.

Mit seinem Marshall-Plan für Afrika, spreche Gerd Müller, Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, durchaus eine andere Sprache, meinte Mabanza. Erklärtermaßen wolle man mit dem Programm einen fairen Handel fördern, die Wertschöpfung, zum Beispiel bei Bodenschätzen oder der Landwirtschaft, vor Ort unterstützen und auch schädliche Exporte von der EU nach Afrika eindämmen. Doch die Wirklichkeit auf dem afrikanischen Kontinent sehe eben anders aus. Vom Afrika-Gipfel Ende November in Abidjan, Hauptstadt der Elfenbeinküste, hätte sich der Referent ganz klare Aussagen zu konkreten Maßnahmen erhofft. Doch in dem Abschlusskommuniqué zu dem Treffen mit 80 Regierungschefs aus Afrika und der EU sei mit keinem Wort erwähnt, welchen Gefahren die Wirtschaft zahlreicher Länder ausgesetzt sei, wenn Zölle weiter heruntergesetzt und damit Handelsbarrieren abgebaut würden.

Wie es auch anders gestaltet werden kann, zeigte der Experte für Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel von Botswana auf. Als dort in den 60er Jahren große Diamantenvorkommen entdeckt wurden, habe die Regierung sofort geregelt, dass die ausländischen Unternehmen Steuern zahlen müssen. Die Einnahmen seien dann in die soziale Infrastruktur geflossen.
Ganz anders verhalte es sich, schilderte Mabanza, in seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo, das aufgrund seines Uranvorkommens enorme Bedeutung habe – bis heute. Der Westen habe in Zeiten des Kalten Krieges den Gewaltherrscher Mobutu unterstützt, der sich als antikommunistisch positioniert habe. Die Chance zum Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens habe aber der Westen nach dem Sturz des Autokraten nicht genutzt, sondern vielmehr den Zerfall staatlicher Strukturen zugelassen. Mittlerweile sei das Land zum Spielball internationaler Akteure geworden und große Teile der Bevölkerung seien immer wieder Gewalt und kriegerischen Handlungen ausgesetzt.
Mabanza, der im Vorfeld des Afrika-Gipfels, an einem Alternativgipfel mit zahlreichen Nicht-Regierungsorganisationen teilgenommen hatte, hob allerdings hervor, dass sich derzeit unter der Jugend Afrikas neue Bewegungen formieren würden. Sie wollen die Entwicklungen nicht mehr länger hinnehmen. Einer dieser Bürgerbewegungen, die derzeit von sich reden machen, hat sich den Titel gegeben: „Wir haben es satt“.

Theo Körner

Dr. Boniface Mabanza hat in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa studiert, kam 2002 nach Deutschland, wurde 2007 in Münster promoviert. Ein Jahr später begann er seine Arbeit bei der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA).