Blog-Beitrag von Weihbischof Josef Holtkotte
Fragen Sie sich manchmal auch, wo Sie sich als Mensch wiederfinden in unserer Gesellschaft? Unmittelbar vor den Kommunalwahlen in NRW ergibt sich diese Frage besonders. Denn eine Wahl fordert auf zu einer Positionierung. Auch für die anstehenden Gremienwahlen in unseren Kirchengemeinden gilt das – vor allem für diejenigen, die sich durch ihre Kandidatur für ein Engagement zur Verfügung stellen. Ich bin überzeugt: Christinnen und Christen positionieren sich im Grunde Tag für Tag, unabhängig von jeder Wahl: indem sie Jesus nachfolgen.
Nachfolge Jesu geschieht mit Offenheit
Vor wenigen Tagen hat der Familienbund der Katholiken im Erzbistum Paderborn in Kooperation mit weiteren Einrichtungen die Handreichung „Seid Menschen! Gemeinsam gegen Hass und Hetze“
herausgegeben. Als ich um ein Vorwort für diese Veröffentlichung gebeten wurde, habe ich gerne zugesagt. Die Handreichung ist ein wichtiger Beitrag in einer Zeit, die eher von Polarisierung als von Ausgleich geprägt zu sein scheint. Spannende Autorenbeiträge entfalten in der Handreichung die gesellschaftlich so wichtige Thematik aus differenzierten Perspektiven.
Bereits das Titelbild der Handreichung berührt mich zudem sehr: Wir sehen Jesus in Tischgemeinschaft mit Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft und Religion – und auf seiner Brust ein Herz. Die Menschen wirken angesteckt von Jesu Ausstrahlung: Sie lächeln einander offen an, teilen Brot und Wein miteinander. Jesus ist als Herz-Mitte unter ihnen – bleibend lebendig. Jesu Blick auf den Menschen kommt aus dem Herzen. Und so begegnen sich Menschen in der Nachfolge Jesu: mit dem Herzen.
Alle Menschen sind Geschwister
Ein solches mit-menschliches Handeln wurzelt in einer tiefen christlichen Überzeugung: Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes und besitzt eine unveräußerliche Würde. Die Würde jedes Menschen zu schützen, ist einer der wichtigsten Aufträge, die Jesus uns mitgegeben hat. Menschenverachtende Parolen oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stehen dem diametral entgegen. Kirche muss das Wort für Menschlichkeit und für die Würde des Menschseins ergreifen. Weil es um nichts weniger als den von Gott gewollten Menschen geht. Und weil eine Kultur der Verachtung die menschliche Würde verletzt.
Der Titel der Handreichung, „Seid Menschen!“, bringt dies auf den Punkt. Er knüpft an die eindringlichen Worte der in diesem Jahr verstorbenen Zeitzeugin Margot Friedländer an. Als Überlebende des Holocaust hat sie die Grauen einer menschenverachtenden Zeit erlebt und durchlitten. Ihre Worte sind ein mahnender Appell auch in unserer Gegenwart. Wir müssen den Dialog und die Verständigung suchen – denn wir sind letztlich alle Geschöpfe nach Gottes Ebenbild. Wir sind Geschwister – das hat der verstorbene Papst Franziskus in seiner Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ deutlich betont.
Nächstenliebe statt Verachtung
Es kommt darauf an, das christliche Fundament in unserer Gesellschaft deutlich zu machen: Wer den Mitmenschen als Ebenbild Gottes und mit den Augen und dem Herzen Jesu sieht, setzt auf Nächstenliebe und Respekt statt auf Verachtung und Hetze. Auch dann, wenn die eigene Meinung oder Lebensweise eine ganz andere ist. Und wer wie Jesus mit dem Herzen auf den Mitmenschen blickt, der wird widersprechen, wenn die Würde von Mit-Menschen verletzt wird. Denn Menschenwürde ist unverhandelbar.
Ihr
Weihbischof Josef Holtkotte
Direkt-Link zur Handreichung
Handreichung zum Download