04.08.2025

Töten für den Arterhalt?

Der Tiergarten Nürnberg hat vergangene Woche zwölf gesunde Paviane getötet – aus Platzgründen, weil die Gruppe zu groß geworden war. Der Protest auf Sozialen Medien und im Zoo selbst war und ist enorm. Zwei Welten prallen aufeinander: Ein Zoo mit wirtschaftlichen Interessen und Menschen, die zu den Tieren eine persönliche Beziehung aufgebaut haben. Die derzeitige Debatte erinnert an eine ähnliche Diskussion vor zehn Jahren: Der Zoo in Kopenhagen hatte den Giraffenjungen Marius getötet und vor Publikum obduziert. Anschließend wurde Marius den Zoo-Löwen zum Fraß vorgeworfen. Er starb, weil Inzucht vermieden werden sollte; er war Artgenossen des europäischen Zuchtprogramms zu ähnlich.

In Nürnberg nun war der Grund für die Tötung der Paviane das Populations-Management. Es waren „zu viele“ Affen. Laut Tierschutzgesetz ist das Töten von Tieren ohne „vernünftigen Grund“ eine Straftat. Kann eine Bestandskontrolle als solcher Grund gelten? Tiere als „überschüssig“ zu bezeichnen ist bereits eine Abwertung per se. Daraus ergibt sich implizit ein herabgesetzter Schutzstatus. Der Weg für eine darauf folgende tötungsfreundliche Güterabwägung ist bereitet.[1] Der Blick für die eigentlichen Ursachen „zu hoher“ Tierzahlen und präventiver Möglichkeiten ihrer Vermeidung wird dabei verschleiert. Die behauptete Platzproblematik ist nämlich vom Zoo selbst verursacht. Damit ist die Tötung nicht nur ethisch fragwürdig, sondern wäre möglicherweise auch rechtswidrig.

Der Tiergarten Nürnberg schließt das Töten von Pavianen „in geringerer Zahl“ auch für die nächsten Jahre nicht aus. Das Töten als angeblich letztes Mittel wird strategisch in das Alltagsgeschäft einkalkuliert. Auf der Strecke bleibt die Verantwortung, die fordert, dass präventiv Maßnahmen getroffen werden sollten, um eine Eliminierung der Tiere als letzten Schritt zu verhindern. Die „hohe Zahl“ der Paviane ist Ergebnis zoointerner Züchtungen, notwendig für den Arterhalt und eine mögliche Auswilderung – irgendwann. Doch wer Tiere als Reservepopulation auf einen unbestimmten Tag in ferner Zukunft hin züchtet, der trägt die Verantwortung für die jetzt in seiner Obhut lebenden Tiere schon in der Gegenwart. Zu einem „Überschuss“ wird es immer wieder kommen, da der Tiergarten Nürnberg eine getrenntgeschlechtliche Haltung oder Verhütung und Sterilisation ablehnt. Die Fortpflanzung entspreche dem natürlichen Sozialleben der Tiere.[2] Daraus folgt aber, dass Fragen des Überschusses bei der Züchtung von Zootieren zwingend von Anfang an mitbedacht werden müssen. Sonst stellt sich die zynische Frage: Ist es besser für den Sozialzusammenhang der Tiergruppe, wenn einzelne Tiere entnommen und „geopfert“ werden – angeblich zur Erhaltung ihrer Art?

 

[1] Vgl. Arleth, C./Biller-Bomhardt, N.J.: Der vernünftige Grund des Tierschutzgesetzes und die Tötung von Tieren in Zoos – ein unerkannter Widerspruch?, in: NUR (2021) 43: 654–663.