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The Conference House
„Die jungen Leute wollen alle nur noch Teilzeit arbeiten!“ Diesen Satz höre ich in letzter Zeit öfter – der Vorwurf schwingt dabei oft nicht nur unterschwellig mit. Manchmal genügt schon das Wort „Work-Life-Balance“, um Empörung und Unverständnis einen Namen zu geben.
Vorab: Pauschalierungen wie „die jungen Leute“ oder „die Anderen“ rufen zum Widerspruch auf – aber lassen wir sie hier einmal stehen. Hinter dem Schubladendenken steht wohl die Einschätzung, dass in der Vergangenheit die Bereitschaft in Vollzeit zu arbeiten stärker vertreten war als bei Menschen heute, die nach Ausbildung oder Studium ins Arbeitsleben treten. Auch hier lassen wir Aspekte wie fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Pflegeeinrichtungen erst einmal beiseite.
Ich frage: Warum arbeiten wir überhaupt? Natürlich sichert Arbeit die finanzielle Grundlage unseres Lebens. Aber sie ist oft weit mehr: Sie stiftet Anerkennung und Prestige, gibt uns Gestaltungsraum, bringt uns in ein soziales Umfeld. Studien zeigen: Arbeitslose Menschen verringern rasch ihren Betätigungsradius – nicht nur wegen fehlenden Geldes. Mit der Arbeitslosigkeit sinken die Sozialkontakte. Zugleich kann Arbeit aber auch zur Last werden: Zu viel Arbeit dominiert das Leben und beeinträchtigt die Zeit außerhalb des Jobs.
Wird der Begriff „Work-Life-Balance“ womöglich dort als Vorwurf verstanden, wo man erwartet, dass sich Mitarbeitende in erster Linie als abhängige Arbeitskräfte begreifen? War das nicht das Bild, was in Zeiten des Wirtschaftswachstums dominierte und nicht wenige Menschen krank zurückließ?
Ist der Wunsch nach mehr Freizeit und weniger Arbeit vielleicht die Reaktion einer Generation, die bei Älteren sieht, wie erschöpft sie der Beruf zurückgelassen hat – oft ohne Dank? Entstand so die Vorstellung eines Gegensatzes von Arbeit und Leben? Der immer verfügbare Mitarbeitende kann ebenso wenig ein Zielbild sein wie die Haltung, Arbeit ist das Andere, das nicht zu meinem eigentlichen Leben gehört.
Die Deutsche Bischofskonferenz hat im April 2025 in einem Impulspapier sieben Thesen zur Arbeit veröffentlicht: „Die versöhnende Kraft der Arbeit“. Viel ausführlicher als hier wurde darin die Bedeutung der Arbeit für die persönliche Entwicklung und die gesellschaftliche Bedeutung herausgearbeitet.
Darum: Bitte nicht über die schimpfen, die vermeintlich zu wenig arbeiten – und ebenso nicht über jene, die Arbeit zu ihrem Lebensinhalt machen. Lassen wir uns gemeinsam mit Politik, Betrieben und Unternehmen Strukturen schaffen, die Arbeit zur Lebenszeit macht, aber ein Leben außerhalb dieser Orte gleichfalls zulässt.
Manchmal genügt schon das Wort „Work-Life-Balance“, um Empörung und Unverständnis einen Namen zu geben. Doch es lohnt sich genauer hinzuschauen, erläutert Martina Luft in ihrem Stand•punkt.