03.11.2022

Handel treiben und Demokratien fördern – Darum ist das „Rohstoffprivileg“ zu ändern!

Russlands Kriege dienen dazu, militärstrategisch Einfluss zu nehmen (wie in Syrien) und dazu, sich wertvolle industrielle und rohstoffreiche Gebiete widerrechtlich anzueignen (wie in der Ukraine, Tschetschenien, Südossetien usw.). Dagegen wäre es für jede Nation ein Segen, wenn die staatlichen Ausgaben für die Bedürfnisse von Bevölkerung und Land größtenteils aus verlässlichen Einkünften gedeckt werden könnten. Ideal dafür wären Ressourcen im eigenen Land, die langfristig und verlässlich auf dem Weltmarkt hohe Preise erzielen. Die Aussichten, gut in Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die Armut im eigenen Land zu eleminieren und nur geringe Steuern zu erheben, wären paradiesisch. Leider ist genau das Gegenteil der Fall!

„Ressourcenfluch“, so nennen Studien das gut belegte Phänomen. Gerade in rohstoffreichen Ländern werden demokratische Regierungen besonders häufig gewaltsam geputscht, in Bürgerkriegen kämpfen Volksgruppen blutig um die Verteilung dieser Schätze. Und die kaufkräftigen Staaten dieser Welt handeln mit (fast) jedwedem Regime, unabhängig davon, wie es an die Macht gekommen ist. Der Philosoph Thomas Pogge, Schüler des einflussreichen John Rawls, kritisiert diesen global gesetzten Anreiz als „Rohstoffprivileg“ souveräner Staaten und deutet ihn als Indiz, dass die Regeln der Weltwirtschaft auf die Interessen der einflussreichen Länder ausgerichtet sind. Denn diese reichen Länder befriedigen mit Hilfe dieser Regel den hohen Ressourcenbedarf ihrer Wirtschaft und ihrer Lebensweise.

Mit der Erfahrung, dass das autoritär regierte Russland seine Rolle als Energielieferant als Waffe im Krieg einsetzt und mit Abhängigkeiten empfindlichen politischen Druck ausübt, stellt sich die Frage, ob Pogge mit seiner Einschätzung mittlerweile falsch liegt. Liegt es nicht viel mehr im langfristigen Interesse demokratischer Staaten, dass sich Handelspartner etablieren, die demokratische Werte teilen und das Wohl ihres Volkes fördern?

Inmitten eines heißen Krieges wie derzeit mit Russland in der Ukraine lassen sich solche weltpolitischen Weichenstellungen nicht leicht ändern. Darum werden derzeit die Abhängigkeiten von Russland durch solche anderer autokratischer Staaten ersetzt, Saudi-Arabien und Usbekistan etwa. Mittelfristig muss jedoch überlegt werden, wie einerseits Abhängigkeiten gemindert und wie zugleich die demokratische Entwicklung gefördert werden können - auch durch ein Überdenken des „Rohstoffprivilegs“, das beständig dazu führt, autoritäre und gewalttätige Regime in mit Rohstoffen gesegneten Ländern an die Macht zu bringen und dort zu halten. Die Außenpolitik, über Europa hinaus Verbündete zu finden und bei demokratischen Verbündeten Rohstoffe zu beziehen, wird zunehmend entscheidend für gutes Wirtschaften.